Phnom Penh- über den Völkermord

20.07.2018
 Travelbohos

26.12.17 Weiterreise nach Phnom Penh- Kambodschas Hauptstadt

Welch ein Glück, vom Tropensturm war, außer leichtem Wind und Regen nichts zu merken. Wir mussten schnell frühstücken, da wir bereits um 7:30 Uhr von einem Kleinbus abgeholt wurden, um nach Phnom Penh aufzubrechen. Nach sechs Stunden erreichten wir Kambodschas Hauptstadt und checkten in unserem Hotel direkt neben dem Royal Palace ein. Das Hotel war sehr, sehr einfach, es erinnerte uns ein bisschen an eine Gefängniszelle. Jedoch war es zentral, das Personal freundlich und bot einen guten Blick über Phnom Penh. 

Abends liefen wir an der schönen Promenade am Westufer des Tonle Sap River entlang, wo sich unzählige Restaurants befinden. Wir entschieden uns für ein indisches Restaurant und schlemmten mal wieder unser Lieblingsessen.

27.12.17

Die traurige Geschichte über den Genozid in Kambodscha 

Phnom Penh 1975

Stell dir vor, auf den Straßen ist es ruhig, doch du kannst kaum den Boden sehen, weil ihn so viele Menschen begehen. Ihre Schritte sind nicht zu hören. Alle schweigen und senken den Kopf nach unten.
Stell dir vor, es passiert gerade etwas, doch du weißt nicht was, keiner gibt dir eine Antwort darauf.
Stell dir vor, du hörst Soldaten die dir helfen wollen, doch du kennst sie nicht und sie sprechen einen anderen Akzent.
Stell dir vor, sie versprechen dir, dich an einen besseren Ort zu bringen. Doch du willst dein geliebtes Zuhause nicht verlassen.
Stellt dir vor, du steigst in einen Transporter, in der Hoffnung in Sicherheit gebracht zu werden.
Stell dir vor, es sind noch andere dabei, doch keiner spricht.
Stell dir vor, du steigst an einem dir fremden Ort aus und wirst angekettet. Alles was du hörst ist laute Musik und einen Generator.
Stell dir vor, du siehst niemanden, weil es so dunkel ist. Doch du hörst, spürst und riechst, wie vielen andere um dich herum sind.
Stell dir vor, du schreist, doch es hört dich niemand.
Stell dir vor, dein Herz klopft so schnell, dass es kaputt gehen könnte.
Stell dir vor, du bist der Nächste, der geholt wird. 
Stell dir vor, du musst niederknien und spürst an deinem lebendigen Leibe mehrere schmerzhafte Schläge mit einem Stock. 
Stell dir vor, dass der Punkt gekommen ist, an dem du zitternd am Boden liegst. Bald darauf reglos. Du gibst auf, weil du nicht mehr kannst. Du spürst, wie das Blut aus dir herausströmt. Dein Herz ist schwach, dein Kopf zertrümmert. Du kannst nicht mehr denken. Alles was jetzt passiert, wissen nur die Überlebenden und deine Mörder. Sie nehmen deinen Leib und werfen dich hinunter zu den anderen die mit dir hergekommen sind. Ihr seid nun vernichtet. Denn der Führer, "Bruder Nr.1" meint, lieber ein unschuldiges Menschenleben mehr, als eines zu wenig. Deine Familie wird außerdem ausgeschaltet, um zu vermeiden, dass irgendwelche Zeugen zurückbleiben.

Warum du?
Weil du zur Schule gegangen bist, eine Universität besucht hast oder eine Ausbildung gemacht hast.
Weil du in der Stadt gelebt hast.
Weil du ein studierter und gebildeter, womöglich Jurist, Arzt oder Lehrer warst.
Weil du ein Nachkomme eines Intellektuellen bist.
Weil du eine Brille getragen hast.
Weil du aus einer ethnischen Minderheit stammst.
Weil du lesen konntest und womöglich Bücher besaßest.
Weil du ein Monarchist und Anhänger des Lon-Nol-Regimes oder deren Ehegatte und Kind warst.
Weil du ein jener Kommunisten, der kurz vor der Machtübernahme aus Vietnam nach Kambodscha zurückgekehrt ist, warst.
Weil du ein Spion sein könntest oder einer der den Mund aufmacht und Widerstand leisten könnte.
Weil du damals vor den Bomben der Amerikaner, vom Land in die Stadt geflohen bist.
Weil du eine Fremdsprache (vor allem Französisch) sprechen konntest.
Weil du ein Mechaniker, Händler, Journalisten, Wissenschaftler oder Künstler warst.
Weil du religiös warst. 
(Die Gründe könnten wir hier noch ewig lange aufführen. Eins ist klar, du bist unschuldig ums Leben gekommen.)

Deshalb hast du nach Meinung des Führers nichts mehr auf der Welt zu suchen, denn er möchte keine Klassengesellschaft mehr. Er möchte bei Tag 0 beginnen. Geld abschaffen, Bücher verbrennen, Technik verbannen und Individualität verbieten. Alle werden in schwarzer Einheitskleidung aufs Feld geschickt, um täglich 12 Stunden für ihr Land zu arbeiten, um einen großen Ertrag zu erbringen und Kambodscha zu einem großen Exportland zu machen. Es wird ihnen verboten zu sprechen und wenn einer zu spät kommt, könnte er aus Sabotageverdacht ermordet werden. Familien werden getrennt, denn es soll keine Gemeinschaft mehr geben. Die Partei möchte Kambodschas Einwohnerzahl innerhab 20 Jahren von 7 Mio. auf 20 Mio. erhöhen. Deshalb werden sie Zwangsheiraten und Zwangsschwangerschaften vollziehen. Es geht dabei um die Produktion der Kinder für die Organisation, denn die Paare sollten danach nicht mehr zusammen leben. Nur wenn die Frauen fruchtbar sind, sollen sie sich sehen um ein neues Kind für die roten Khmer zu erschaffen. Die Folgen davon werden Massenvergewaltigungen sein. Wer sich dagegen stellt, wird auf den Killingsfields oder in den Sicherheitsgefägnissen auf seinen Tod warten.

Somit erzählt er den Soldaten (darunter viele Kinder oder Jugendliche) die ihm helfen, dass ihr alle Schuld seid an ihrem Leid und ihrer Armut. Er sagt ihnen, dass ihr mutmaßliche Agenten, Verbrecher und Verräter seid. Eure Mörder besitzen nichts, keine Gemeinschaft und kein Eigenland. Sie sehen ihre Chance etwas zu werden, was sie vorher nicht waren und nehmen diese Möglichkeit an. Sie werden endlich gebraucht und meinen, sie können dadurch Helden werden. Doch sie werden zu Verbrechern, die schlimme Morde am eigenen unschuldigen Volk ausüben.
So wie an dir, denn du warst ein Ingenieur, der den steinzeitkommunistischen Roten Khmer suspekt war – sie wollten einen steinzeitlichen Bauernstaat: ohne Geld, ohne Bildung, ohne Klassen. 

Diese grauenvolle Geschichte wurde von uns frei erfunden, doch der Inhalt spielte sich im Jahre 1975 in Kambodscha nicht anders ab, als die roten Khmer mit Pol Pot, Bruder Nr.1 als Regierungschef und Khieu Samphan als Staatsoberhaupt im Zuge des Indochinakrieges endgültig an die Macht kamen. Sie versuchten mit allen Mitteln, das Bauerntum zu stärken und alles städtische zu zerstören. Pol Pot der in Paris studierte, war davon besessen einen Agrarkommunismus zu erschaffen. Diese Herrschaft Kambodschas unterschied sich von allen anderen Diktaturen, durch ihre völlige Geheimhaltung von der Partei und führenden Funktionären. 

Die Killing Fields der Roten Khmer, die wir besuchten, legten davon ein entsetzliches Zeugnis ab. Durch Hungersnöte, Zwangsarbeit auf den Reisfeldern, Folter und Mord kamen nach Schätzungen 1,7-2,2 Millionen, welches ein Viertel der damaligen Gesamtbevölkerung war, ums Leben. Der Schrecken hatte erst 1979 mit dem Einmarsch der Vietnamesen ein Ende.

Killing Fields

Wir haben uns für diesen Tag, an dem wir wussten, dass wir Schreckliches über die Geschichte Kambodschas erfahren werden, einen TukTuk Fahrer angefragt, der uns an die Orte bringen sollte. Er war sehr freundlich und meinte wir sollen als Erstes mit Choeung Ek, den Killing Fields, anfangen. Der Tag war sehr regnerisch, was sehr zum Anlass passte.

Der Rundgang durch die Killing Fields Erinnerungsstätte hat zusammen mit dem deutschsprachigen Audioguide 6 Dollar pro Person gekostet. Knapp 2.5 Stunden liefen wir von Station zu Station, nahmen alle grausamen taten der Roten Khmer auf und wurden immer sprachloser. An einem kleinen See setzten wir uns und hörten weitere Zeitzeugen Geschichten an, von Menschen (Opfern und Tätern) die darüber sprachen, was damals passierte und was sie immer noch traumatisiert. Wir blickten in den See, in den der Himmel weinte. Er sah aus wie die meisten Gesichter in die wir blickten. Auch unsere waren mit Tränen bedeckt. Massengräber, Kleidung der Opfer, Waffen, die Bäume- an welche damals Babys geschmettert wurden... vieles ist übrig geblieben und erinnert alle an das was hier einmal vonstatten ging.

Wir finden keine Worte, lassen uns von Station zu Station treiben, bis wir gegen Ende an das Erinnerungsdenkmal für die Opfer kommen. Eine schöne Gedenkstupa. Hier ist ein kleiner Bruchteil von den Überresten der Opfer aufbewahrt, die in den Massengräbern gefunden wurden. Es türmen sich Schädel aufeinander und es wird beschrieben, in welcher Altersstufe die Person ungefähr war und durch welche Waffe sie umgekommen ist. Das lässt sich manchmal sehr gut am Schädel erkennen. Einmal im Jahr kommen hier viele Menschen zusammen, um während einer Zeremonie alle Opfer zu ehren und ihnen zu gedenken. „Die Zeremonie gegen das Vergessen“. Es war ein sehr schweres Gefühl in diesen Aufbewahrungsort einzutreten, gerade nachdem man erfahren hatte, was hier alles vor sich ging.

Die Stimmung bei uns beiden war ziemlich am Tiefpunkt als wir zu unserem TukTuk Fahrer, der vor den Killingsfield auf uns wartete, gingen. Er fragte uns, wie es für uns war. Wir antworteten: „Es war sehr interessant und es hat uns sehr berührt und mitgenommen.“ Er nickte und fuhr zu einer Tankstelle. Nachdenklich, wie wir immer noch waren, erblickten wir einen kleinen Jungen. Der Junge war gerade mal acht Jahre alt und musste uns den Tank auffüllen. Wie schon in den vorherigen Berichten erwähnt, herrscht hier immer noch Kinderarbeit. Xenia blickte zu dem kleinen Jungen, der uns zulächelte und ihr kullerten Tränen übers Gesicht. Als der Fahrer bezahlte, schaute der kleine Junge in Xenias Gesicht und fragte: „Why are you crying Ma´am?“ Eine Antwort konnte sie ihm nicht geben.

Tuol Sleng Genozid Museum

Wir überlegten uns vorher noch einmal genau, ob wir wirklich reingehen sollen, denn an diesem Tag hatten wir schon viel Schreckliches gesehen. Doch wenn wir schon mal hier sind, dann werden wir uns Alles anschauen und anhören. Also ging es zurück in die Stadt, wo im damals geheimen Sicherheitsgefängnis 21 (eines von vielen Foltergefängnissen) die schlimmsten Folterungen und Morde verübt wurden.

Wir bezahlten 8 Dollar pro Person und schritten in das Gelände, in dem die tiefe Trauer über all die verlorenen Seelen, noch immer zu spüren war. Hier bekamen wir ein Audiogerät in englischer Sprache und konnten den geschichtlichen Hintergründen lauschen und uns die Räume der Hölle anschauen. In manchen Räumen, standen Betten und an der Wand hing ein Bild von dem blutüberströmten leblosen Körper des Opfers, welches im Raum gefunden wurde. Die Blutflecken wurden nicht weggewischt, überall kommen sie zum Vorschein. Fesseln liegen so, als seien sie gestern noch verwendet worden. Bilder von Tätern und Opfern gemeinsam in einem Raum. Gegen Ende der Audioguide Führung kommt man zu einen heiligen Raum, dort kann für alle Opfer gebetet werden. 

Einst war es ein Schulgebäude, doch als alle Schulen aufgrund der roten Khmer geschlossen wurden, verwandelte es sich zum Tor der Hölle. Mauern wurden durch die Klassenzimmer gezogen, kleine Zellen entstanden. Die Menschen wurden nebeneinander gereiht und mit Fußfesseln aneinander gekettet, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnten. Allen Häftlingen wurde etwas unterstellt, was sie nie begangen hatten. Sie bekamen Folter, bis sie ein Geständnis aufschrieben. Ganze Familien wurden hergebracht. Von allen Insassen wurden Fotos gemacht und ganz genau Buch geführt. Es gab jegliche Foltergeräte. An einem Galgen Kopf über hängen bis zur Bewusstlosigkeit, foltern bis kurz vor dem Ertrinken, Tausendfüßler in die Brust einer Frau einsetzen, Nägel in den Körper hauen und noch viel mehr Grauenhaftes. 
Niemand wusste, was in der geschlossenen Schule vor sich ging, alles blieb unter Geheimhaltung. Bis eines Tages, leider viel zu spät, vietnamesische Invasionsgruppen das Gefängnis stürmten und nur sieben Überlebende von 15.000- 30.000 Gefangenen gefunden hatten. Wer die Folter überlebte, wurde aus der Stadt herausgebracht und auf den Killing Fields hingerichtet.

Bilder der unschuldigen Opfer

Das Regime und seine Helfer

Nach dem Besuch fühlten wir uns völlig leer. Jeder sollte genau überlegen, ob es das Richtige für ihn ist, so etwas anzuschauen. Viele schreckliche Bilder die wir sahen, z.B. welche Folterungen zeigen, ersparen wir euch. Auch bei den Fotos, die wir hochgeladen haben, solltet ihr euch überlegen, ob ihr sie wirklich sehen wollt. Die Geschichte erinnert an die Taten, die sich während des ersten- und zweiten Weltkrieges weltweit abspielten. Doch so lange ist das Ganze noch nicht her und viele Menschen wissen gar nicht, was damals in Kambodscha vor sich ging. Alle sprechen über Hitler, keiner über Pol Pot. Uns verwunderte es, dass die meisten der Mörder davonkamen. Die meisten konnten sich vor den Truppen der Vietnamesen davonschleichen. Womöglich sind sie uns in der Zeit, in der wir in Kambodscha unterwegs waren, über den Weg gelaufen.
Selbst "Bruder Nr. 2", ist heute immer noch am Leben und steht ohne Reue vor Gericht der Völkermordtribunale. 
Das Land, welches zuvor vom Indochina Krieg durch die Bomben von den Amerikanern neben Vietnam sehr stark getroffen wurde, ist noch heute mit unzählige Mienen übersät. Viele Kambodschaner erlitten Verstümmelungen oder gar den Tod. 2007 waren noch 15% der Kambodschaner durch Unfälle mit Landminen betroffen. Dieses Bombenmeer verursachte damals, dass sich die Menschen der roten Khmer anschlossen und sich durch sie führen ließen. Keiner ahnte was das Terrorregim wirklich im Schilde führte.

Doch so erschütternd die Geschichte auch sein mag, die Kambodschaner versuchen nach vorne zu schauen, alles aufzuarbeiten und stehen der Zukunft positiv gegenüber. Trotzdem besitzen viele Kambodschaner tief im Inneren ein gebrochenes Herz, denn sie haben über Jahre hinweg viele Menschen verloren. Manche fragen sich, warum die Weltgemeinschaft Kambodscha im Stich gelassen hat?
Wir sehen die Geschichte als ein Zeichen, für den Frieden weltweit zu kämpfen. Wir Gedenken den Opfern dieses Verbrechens und werden zu weiteren Zeugen, die gegen die Vergessenheit dieser Menschen kämpfen. Außerdem wollen wir euch nicht immer über die guten Seiten eines Landes berichten, denn es zählen auch die traurigen und ernsten Themen.

Wenn ihr euch für die ganze Geschichte interessiert, schaut doch mal im Internet vorbei oder seht euch einen Dokumentarfilm dazu an.

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